Enzyklopädie ist keine Krankheit
Yesterday – Kommunikation von gestern (Folge 14)
Vor langer Zeit hatten die Menschen auch schon Fragen, auf die sie nach einer Antwort suchten. Heute fragen sie Google, Wikipedia oder Alexa. Damals jedoch standen sie auf, gingen zum Bücherregal und griffen zur Ausgabe Nr. 16 ihrer 20-bändigen Enzyklopädie – in der Hoffnung, auf Seite 112 eine Antwort zu finden. Und wenn nicht, hatten sie die geniale Idee, jemand anderen um Rat zu bitten. Aber das ist ewig her.
Es gab sogar Leute, die eine Bibliothek aufsuchten, denn dort war geballtes Wissen vorhanden. Da es sich um renommierte Werke handelte, die längst zum Synonym für Lexika geworden waren, konnten sie sichergehen, dass deren Inhalte verifiziert waren.
Als uneingeschränkter Marktführer galt der Brockhaus. Die letzte gedruckte Auflage erschien 2006 und hatte insgesamt 24.000 Seiten. Heute ist er ein Sammlerobjekt. Es gibt sogar eine von Künstler André Heller gestaltete Edition aus dem Jahr 1999 – mit integrierten Exponaten für 13.500 Euro. Kostet natürlich mehr als eine Flatrate.
Bei der Reihe im ersten Bild handelt es sich um das antiquarische „Lingen Lexikon“ in 20 Bänden plus Fremdwörterbuch und Atlas von 1973. Sie wurde mit der Brockhaus-Redaktion erarbeitet und war quasi die Aldi-Version des legendären Hauptwerks. Gesamtgewicht: circa 12 kg.
Brockhaus brachte sein Wissen später mit multimedialen Elementen auch auf DVD-ROM heraus. Ja genau, das waren diese silbernen Scheiben, die man am Computer in ein Laufwerk stecken musste. Und „Laufwerk" war nicht der Name einer trendigen Fitness-Kette ... ;-)
Wikipedia hingegen gibt es erst seit 2001. Als offenes Lexikon ist Wikipedia zwar tolerant und vielfältig. Abseits der Stimmigkeit der Infos durch die Bearbeitung von Hinz und Kunz ist allerdings strittig: Wenn Inhalte kaum begrenzt sind und sich Einträge über Astrophysiker neben Schlagersängern wiederfinden sowie Artikel, wie ein Wasserkraftwerk funktioniert, mit der Geschichte von „Dunkin' Donuts“ abwechseln, wie relevant ist ein Eintrag dann im gesellschaftlichen Kontext?
Doch was viel einschneidender ist: Früher musste man Informationen nicht nur finden, sondern auch für sich aufarbeiten. Es gab also ein Rezept, aber kochen musste man selber. Heute werden durch das Internet Fertigmahlzeiten vorgelegt. Die Frage ist, wie gehaltvoll sie sind. Und ob es auf Dauer nicht langweilig ist, immer nur zu konsumieren statt auch mal selbst nachzudenken.